In „Musiktheorie“, Laaber-Verlag, Jahrgang1991, Heft 1, diskutiert Reinhard Böß die interessante Beleuchtung der „Evolutiones“ eines Bach-Canons in Musiktheorie 5 (1990), S. 85-93 von Günter Hartmann mit „192 Quodlibet-Evolutiones“ zum „10. Canon“ aus BWV 1087. Dabei bezieht sich Hartmann in seinen Ausführungen u. a. auf Christoph Wolf und Werner Wolffheim, wagt aber erfreulicherweise durchaus eigenständige Schritte in neuere Richtungen. Ebenso wie Böß versteht er die Nr. 10 als Kanon und somit als sinnvolle Einfügung in die originalen Nummern 1-14, da es sich hierbei um einen besonders verschlüsselten Canon polymorphus handelt. Nur schade, dass Hartmann sich scheinbar mit unnötigen Prim- und Oktavparallelen, punktuell sogar mit Quintparallen zufriedengibt, die zu dem satztechnisch hochqualifizierten Kompositionsniveau Bachs nicht recht passen mögen.
Unter Einbeziehung der „alten Schlüssel“ ergeben sich bei realer Spiegelung der Rectus/Inversus-Sätze um dis‘/es‘ geniale Lösungen. Es entstehen somit nach den Forschungsergebnissen der 48 Canones von Reinhard Böß, die er in aufwendigen, gut strukturierten Tabellen mit 13 Spalten und 175 Zeilen systematisiert, 220=5x44 (hoch9) Canones in BWV 1087. Inklusive des Fundamentes in vier Modi sind es 224=2x112=16x14 Sätze nach der Überzeugung von Reinhard Böß. In Nr. 10 müssen daher die vier Modi des Themas als auch des Kontrapunktes ausgenutzt werden und miteinander gemäß der „Ars combinatoria“ kombiniert werden.
Detailliertere Ausführungen zu diesem Thema sind im Textteil und Notenteil in „Verschiedene Canones … von J. S. Bach - BWV 1087“, Reinhard Böß, edition text + kritik, 1996 veröffentlicht.
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