Der heutige Laienhörer sieht sich durch die nur für den Ausführenden gedachte Spielpartitur in eine Situation gedrängt, die eine visuelle und taktile Ebene als Ergänzung zur auditiven Wahrnehmng von Musik erforderlich macht. In etwas 20 Jahren musikpädagogischer Praxis konnten die "Möglichkeiten graphischer Hörhilfe als bewusstmachende Ergänzung zur traditionellen Notation von Musik“ entwickelt und erprobt werden.
Zum Verständnis musikalischer Strukturen sind Graphiken zu 48 Kompositionen von Clemens non Papa bis Anton Webern und Stücke aus der Popmusik der 60er Jahre erstellt worden.
Nach einem Elementarlehrgang mit „Modulex“, vergleichbar mit „LEGO“, werden die Werke nach ihren unverwechselbaren, konstituierenden Schwerpunkten visualisiert und parameterorientiert geordnet. Über 100 Abbildungen musikalischer Strukturen und einzelner Tiefenschichten vermitteln wesentliche Einsichten in die Werkstattgeheimnisse des Komponisten.
Dabei sind Notation im Violin- und Bassschlüsselsystem, mehrschichtige Folienpartituren, motivisch gegliederte Aufzeichnungen der Form oder Instrumentation und Aktionspartituren generell unter Einbeziehung einer Zeitachse sowie Systemdarstellungen mit Hilfe des von Böß entwickelten „Vielfarb-Quint-Terz-Systems“ u. a. verwendet worden.
Schüler beweisen an 10 Graphiken ihre Hör- und Analysefähigkeit, wie ihre schöpferische Fantasie.
Zur Unterrichtsdidaktik und –methodik wie zur Anfertigung von Hörgraphiken werden hilfreiche Erläuterungen gegeben.
Folgende musikpädagogische Beobachtungen lassen sich festhalten:
Die Konzentration des Schülers wird durch die mehrkanalige Wahrnehmung gestärkt, der Sinn für Werte geschärft, die Motivation für ungewohnte Musik gefördert, die Verbalisierung erleichtert und ein fassbares, ganzheitliches Verständnis von Kunst ermöglicht. Jedoch sei die Hörgraphik nie als Selbstzweck, sondern immer als dienende Funktion für die Musdik gedacht, deren Größe hier bewusstgemacht werden soll.
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